Stellt man eine Kerze in ein Windlicht oder eine Laterne und bewegt sich damit, zeigt die Kerzenflamme plötzlich ein ganz und gar unerwartetes Verhalten. Dies lässt sich nicht mit dem Phänomen Fliehkraft erklären – oder doch?
Achtung: Dieses Physik-Experiment mit Feuer darf, je nach Alter, von Kindern aufgrund der Brand- und Verletzungsgefahr gar nicht oder nur unter Aufsicht von Erwachsenen durchgeführt werden.
Was wird gebraucht?
- eine Laterne oder ein Windlicht
- eine Kerze oder ein Teelicht
- Feuer
Was ist zu tun?
Man zünde die Laterne oder die Kerze im Windlicht an, halte sie in den Händen, drehe sich mit ihr langsam um die eigene Achse und beobachte das Verhalten der Kerzenflamme. Alternativ kann man die Laterne oder das Windlicht auch langsam hin- und herschwenken.
Was ist geschehen? Erklärung zur Fliehkraft
Dreht man sich mit der Kerze, so neigt sich die Kerzenflamme in Richtung Drehachse. Dies hat folgenden Grund: Jede Drehbewegung geht mit der Zentrifugalkraft oder Fliehkraft einher. Diese Kraft wirkt von der Mitte weg, wie zum Beispiel bei einem Kettenkarussell. Dreht sich das Karussell, fliegen die Sitze nach außen. Auch in unserem Versuch wird die im Glas befindliche kalte Luft nach außen gedrängt, denn kalte Luft ist schwerer als warme Luft. Auch die warme Kerzenflamme neigt sich in Richtung der Drehachse. Ihren Ursprung hat die Fliehkraft in der Trägheit von Körpern und diese ist umso stärker, je größer die Masse eines Körpers ist.
Im zweiten Fall schwenkt man die Kerze hin und her und kann beobachten, wie sich die Flamme in die Bewegungsrichtung neigt. Dies lässt sich so erklären: Schwenkt man die Lampe, will die träge Luft im Glas dieser Bewegung nicht folgen: Sie bleibt, wo sie ist, wird an die Wand gedrückt und schließlich vorwärtsgeschoben. Die Luft im Glas ist nun aber kälter als die Gase, die beim Abbrennen der Kerze entstehen. Diese warmen Gase werden daher von der kalten Luft verdrängt. Dadurch neigt sich die Kerzenflamme nach vorne und damit der Bewegung entgegen. Im Flugzeug erfährt man bei starker Beschleunigung denselben Effekt wie die kalte Luft im Glas: Man wird in den Sitz gepresst.
Fliehkraft im Alltag
Die Fliehkraft erleben wir auch, wenn wir im Auto flott um eine Kurve fahren. Dort werden wir nach außen gedrückt, nur dass uns Sicherheitsgurt und Karosserie daran hindern, einfach wegzufliegen. Anders gesagt: Sie bringen die Zentripetalkraft auf, die uns auf der Kreisbahn, in diesem Fall also in der Kurve hält.
Ein anderes beliebtes Beispiel für die Fliehkraft ist die Zentrifuge. Sie wird verwendet, um Stoffe voneinander zu trennen. Mit ihrer Hilfe kann man beispielsweise Rahm, also Milchfett, und Milch trennen, um aus dem Rahm Butter herzustellen. Alltäglicher kennen wir sie auch vom Schleudergang der Waschmaschine.
Zentrifugen besitzen einen Motor, der ein Gefäß in schnelle Rotation versetzt. Die Geschwindigkeit kann dabei mehrere Hunderttausend Umdrehungen pro Minute betragen. Stoffe mit einer großen Masse wie der Rahm wandern aufgrund der Zentrifugalkraft nach außen und verdrängen dabei Stoffe mit einer kleinen Masse wie die Milch. Diese Stoffe bleiben näher an der Drehachse.
Fliehkraft und Zentripetalkraft
Was würde passieren, wenn sich die Zentrifuge, die die Milch auf die Kreisbahn zwingt, plötzlich in Luft auflöste? Obwohl die Fliehkraft radial – also senkrecht zur Bewegungsrichtung und zum Mittelpunkt des Kreises hin – wirkt, flöge die Milch keineswegs in diese Richtung: Stattdessen würde sie geradeaus weiterfliegen, wie auf der Grafik zu sehen ist. Daran kann man erkennen, dass es sich bei der Fliehkraft um eine sehr merkwürdige Sache handelt.
Die Fliehkraft existiert nämlich nur während einer Drehbewegung, und zwar ausschließlich für den sich bewegenden Körper. Sie wird daher auch als Scheinkraft bezeichnet, obwohl sie eine reale Wirkung hat und auch messbar ist. Anders verhält es sich mit der sogenannten Zentripetalkraft. Sie bezeichnet die Kraft, die einen rotierenden Körper auf eine Kreisbahn zwingt. Im Beispiel der Milch wird diese Kraft durch die Zentrifuge aufgebracht, beim Kettenkarussell durch die Ketten und im Fall der Bewegung der Planeten durch die Gravitation. Im Falle von Planeten bedeutet das: Wenn der Mond nicht durch die Gravitation auf seiner Kreisbahn gehalten würde, würde er einfach davon fliegen.
Weitere Freihandversuche zur Fliehkraft
Experiment 1: Der Eiertest: Roh oder gekocht?
Experiment 2: Die fliegende Murmel
Physikalischer Miniversuch: Man nehme einen Eimer, fülle ein wenig Wasser hinein und schwinge ihn an einer Hand schnell im Kreis herum. Selbst wenn der Eimer seitlich oder kopfsteht, läuft – dank der Fliehkraft – kein Wasser heraus. Eine andere Variante dieses Versuches besteht darin, einen Schlauch in den Eimer zu hängen, wobei dieser noch etwas herausragt, den Schlauch dann festzukleben, etwas Wasser anzusaugen und den Versuch wie eben zu wiederholen. Das Wasser wird durch die Zentrifugalkraft über den Schlauch aus dem Eimer gepumpt. (Quelle: Nach einer Idee von „Wissen macht Ah!“) Achtung: Dieses Experimente zur Zentrifugalkraft macht man am besten draußen.
Physikalischer Miniversuch zum Trägheitsgesetz: Jeder kennt den Versuch, in dem eine Tischdecke mit einem Ruck unter dem Geschirr weggezogen wird. Wenn man es richtig macht, bleibt das Geschirr stehen. Nach demselben Prinzip – aber in einer risikofreien Variante – funktioniert das physikalische Experiment mit Glas, Münze und Spielkarte. Man legt die Karte auf das Glas und darauf die Münze. Dann schnickt man die Spielkarte weg. Die Karte fliegt weg und die Münze fällt in das Glas. Der Grund für das Verhalten der Münze liegt in ihrer Trägheit.
Quelle/n:
Institut für Experimentalphysik/JKU Linz, Skript „Physikalisches Schulversuchspraktikum, Wintersemester 2000 / 2001“ (Download als PDF)
Verblüffende physikalische Experimente, Hartmut Melenk, Udo Runge, Paul Dräger, Köln, Aulis Verlag Deubner, 1998, S.40